Soziotechnisches System – Menschen und IT im Einklang entwickeln
Management Summary
- Das Konzept ‚Soziotechnisches System‘ berücksichtigt sowohl soziale als auch technische Elemente bei der Gestaltung und Weiterentwicklung einer Organisation.
- Als Erfinder gelten Frederick Edmund Emery und Eric Lansdown Trist. Die Wissenschaftler beforschten Socicaltechnical Systems Anfang der 1950er Jahre.
- Waren es früher Maschinen und Anlagen, so kennzeichnen moderne Soziotechnische Systeme die Interaktion von Menschen mit digitalen hochvernetzten Technologien.
- Bei der Entwicklung und Änderung von Informationstechnik sollten neben technischen auch immer soziale Faktoren in Betracht gezogen werden.
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Was ist ein Soziotechnisches System?
Bei einem Soziotechnischen System (auch sozio-technisches System, kurz STS oder englisch sociotechnical system) betrachten Sie eine Organisation und ihre technischen Hilfsmittel als einen integrierten Verbund. In diesem wirken…
- ein soziales Teilsystem (z.B. Linienmitarbeiter, Projektteams, Führungskräfte), gekennzeichnet durch nicht-deterministische, soziale, informelle und zwischenmenschliche Faktoren sowie
- ein technisches Teilsystem (z.B. IT-Systeme, Maschinen, digitale Endgeräte), gekennzeichnet durch deterministische, formale, technische und ökonomische Faktoren
nach individuellen Regeln untrennbar miteinander.
Das soziale und technische Teilsystem stehen in enger Wechselwirkung zueinander, unterstützen und behindern sich. Menschen kommunizieren. Zudem kommt es zu Mensch-Maschine-Interaktionen bzw. tauschen technische Elemente Daten, Stoffe und Energie miteinander aus.
Das Ziel eines Soziotechnischen Systems liegt im globalen Optimum der Organisation durch wechselseitige Kalibrierung beider Subsysteme. Dies gelingt durch eine ganzheitliche Sicht sowie einer übergreifenden Ausrichtung auf die Gesamtaufgabe – der Primary Task.
Worin liegt der Ursprung des Konzepts?
Das Konzept des Soziotechnisches Systems entstand am Londoner Tavistock Institut. Als geistige Urväter gelten der Australier Frederick Edmund Emery und der Engländer Eric Lansdown Trist. Beide beforschten während der 1950er Jahren die Optimierung von Arbeitsorganisationen, u.a. im britischen Steinkohlebergbau. Ziel war es die Ursachen für häufige Unfälle, hohe Fehlzeiten und geringe Arbeitsmotivation trotz (bzw. wegen) der Einführung neuer Technologien zu ermitteln.
In empirischen Studien fanden die Wissenschaftler heraus, dass es nicht genügt die Arbeitsorganisation nur aus technischer Perspektive zu optimieren. Emery und Trist belegten, dass der Erfolg einer Organisation davon abhängt, wie sie als Soziotechnisches System integriert funktioniert. Eine ausschließliche Betrachtung des technischen Systems mit ersetzbaren Individuen, die bedarfsweise hinzugefügt werden und sich anpassen müssen, greift zu kurz.
“Im Allgemeinen muss das Management begreifen, dass der Erfolg des Unternehmens davon abhängt, wie es als soziotechnisches System funktioniert – nicht einfach als ein technisches System mit ersetzbaren Individuen, die hinzugefügt werden und sich anpassen müssen.“
– Emery, Thorsrud & Trist 1964
Was sind Beispiele für moderne Soziotechnische Systeme?
Sobald Menschen organisiert zusammenarbeiten und dabei unterstützende Informationstechnik (IT) einsetzen, können Sie heute von einem Soziotechnischen System sprechen.
Beispiele für moderne Sociotechnical Systems:
- Online-Plattformen der Sozialen Medien
- Callcenter von Telekommunikationsunternehmen
- Öffentliche Institutionen wie Krankenhäuser, Behörden oder Bildungseinrichtungen
- Produktionsstraßen von Industrieunternehmen
- (Humanoide) Roboter für Haushalt und Pflege
Mit wachsender Digitalisierung von beruflichen und privaten Leben fügt sich der Mensch immer öfter und intensiver in Soziotechnische Systeme ein. Auch verschwimmen aufgrund neuer Technologien wie Augmented Reality, Robotic Process Automation und softwarebasierte Fahrzeuge die Grenzen des virtuellen und realen Handelns.
Wie hilft der soziotechnische Ansatz im IT-Management?
Betrachten Sie bei IT-Projekten nicht ausschließlich die technischen Aspekte. Sobald Sie IT-Services, Unternehmenssysteme, Hardware-Komponenten, Betriebssoftware, Cloud Lösungen, digitale Endgeräte etc. einführen, ändern oder abstellen, sollte Sie auch immer das soziale Teilsystem des Soziotechnischen Systems Ihrer Organisation berücksichtigen.
Konkret heißt das in der IT-Praxis:
- Management der Anforderungen für die Geschäftsprozessunterstützung
- Akzeptanzmanagement bei den Stakeholdern des IT-Projektes
- Information der Sponsoren und Lenkungskreise
- Schulungen der internen und externen Nutzer
- Implementierung organisatorischer Change Maßnahmen
Vollziehen Sie technische Änderungen stets auf der sozialen Ebene und halten Sie damit das soziale- und technische Teilsystem im Einklang.
Fazit
Auch wenn es auf Anfang der 1950er Jahre zurückgeht und nicht für aktuelle Digitaltechnologien ersonnen wurde, ist das Konzept des Soziotechnischen Systems für die Ausrichtung von Business und IT aktueller denn je.
Ganz gleich ob öffentlich oder privat, Kleinunternehmen oder Großkonzern, Neubau oder Upgrade – (Weiter-)Entwicklung von IT bedingen auch immer (Weiter-)Entwicklung der betroffenen Menschen. Der soziotechnische Ansatz schärft den holistischen Blick auf beide Subsysteme.
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Leseempfehlungen
- Susman, G. I.: Autonomy at Work, Praeger Publishers Inc, 1976
- gude Education: Was ist ein soziotechnisches System? (2min), YouTube (letzter Abruf: 09.09.2022)
- Karafyllis, N.C.: Soziotechnisches System. In: Liggieri, K./Müller, O. (Hrsg.): Mensch-Maschine-Interaktion. J.B. Metzler, 2019
- Springer, J.: Das soziotechnische System. Beispiele aus der Praxis, GRIN, 2019
- Stangl, W.: Soziotechnisches System. In: Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik (letzter Abruf: 09.09.2022)
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Dr. Christopher Schulz
Business Analyst, Enterprise Architect & Projektmanager
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