Architekturprinzipien – mit Leitlinien Enterprise Architecture Entwicklungsentscheidungen beschleunigen

Management Summary

  • Architekturprinzipien (auch Enterprise Architecture Principles) sind langlebige Leitlinien, die Ihnen und Ihren Kollegen bei der Entwicklung der zukünftigen und dem Betrieb der aktuellen Unternehmensarchitektur Orientierung geben.
  • Der Hauptzweck von Architekturprinzipien liegt in der Entscheidungsunterstützung im Enterprise Architecture Management – Auswahlprozesse werden beschleunigt, Fehlentscheidungen reduziert und Beschlussergebnisse vereinheitlicht.
  • Ein gutes Architekturprinzip ist handlungsleitend. Es besitzt einen einprägsamen Namen, ist in Breite und Tiefe des Unternehmens verständlich und wird vom Top-Management aktiv unterstützt.

Was ist ein Architekturprinzip?

Ein Architekturprinzip (auch Enterprise Architecture Principles bzw. EA Principles) ist eine allgemein gehaltene langlebige Leitlinie, die Ihrer Projekt- und Linienbelegschaft bei der Entwicklung und dem Betrieb der Enterprise Architecture (EA) – zu deutsch Unternehmensarchitektur – Orientierung gibt.

Architekturprinzipien leiten sich aus der Business bzw. IT Vision, der Mission, den Geschäfts- und IT-Zielen, der Strategie, dem Geschäftsmodell, den Erfolgstreibern sowie bestehenden Abweichungen, Lücken und Fehlständen in der aktuellen Unternehmensarchitektur ab.

Als Werkzeug der Business & IT Governance bilden sie die Grundlage für Anforderungen, Regeln und Standards. In ihrem Scope ist die Business, Application, Data sowie Technology Architecture entlang des gesamten Lebenszykluses.

Alternative Bezeichnungen für Architekturprinzipien sind EA Principles, Architecture Principles oder Design Principles, wahlweise mit Bindestrich.

Anders als einige Enterprise Architecture Management (EAM) Rahmenwerke machen wir keinen Unterschied zwischen…

  • Prinzipien zur Steuerung der Unternehmensarchitekturarbeit (EAM Prinzipien) und
  • Prinzipien zur Gestaltung der Unternehmensarchitektur (EA Prinzipien),

sondern nutzen ausschließlich EA Prinzipien. Auch differenzieren wir nicht – wie beispielsweise The Open Group Architecture Framework (TOGAF)® – zwischen Architecture Principles und Enterprise Principles.

Architekturprinzipien fokussieren auf das ‘Was’ und nicht das ‘Wie’. Setzen Sie Architekturprinzipien als Instrument für die Ausgestaltung der aktuellen und zukünftigen Unternehmensarchitektur ein, nicht für die Eingrenzung des damit verbundenen Managements oder einer anderen Unternehmensfunktion wie Marketing, Vertrieb oder Projektmanagement.

Business Architecture

Geschäftsprozesse, Fähigkeiten, Organisationseinheiten

Application Architecture

IT-Systeme, Schnittstellen, Systemfunktionen

Technology Architecture

Infrastrukturkomponenten, Netzwerkelemente, Technologie-Plattformen

Data Architecture

Geschäftsobjekte, Informationsobjekte, Datenobjekte

Worin liegt der Nutzen von Architekturprinzipien?

Architekturprinzipien sind Entscheidungshelfer. Verabschiedet und angewendet sorgen sie dafür, dass Ihre…

In Gremienrunden, Reviewterminen und Arbeitstreffen schaffen sie eine gemeinsame Diskussionsgrundlage, bringen Nachvollziehbarkeit in die Argumentation, begünstigen einen einheitlichen Entscheidungsprozess und sorgen für Konsens unter den Akteuren. Aufgrund eines abgesteckten jedoch nicht zu eng gefassten Handlungsspielraums, steigern Architekturprinzipien die Motivation und Eigenverantwortung Ihrer Belegschaft und fördern Ideen.

Als ’sanfte Leitplanken‘ stellen Architekturprinzipien zudem sicher, das Business und IT-Landschaften nachhaltig und zukunftssicher weiterentwickelt werden. Sie stehen für das übergreifende Optimum aus Sicht der Gesamtorganisation, nicht für das (meist) lokale Optimum des Einzelprojektes oder Lokalbereichs.

„Architekturprinzipien sind Werkzeuge, die Sie und Ihre Kollegen in der Entscheidungsfindung entlasten sollen. Machen Sie aus dieser Unterstützung weder eine Wissenschaft noch eine Prinzipienreiterei. Starten Sie einfach und wenden Sie pragmatisch an.“

Dr. Christopher Schulz

Wie ist ein Architekturprinzip aufgebaut?

Lassen Sie sich bzgl. der Konzeption eines Architekturprinzips von TOGAF inspirieren. Auch in unseren Engagements nutzen wir die vom bekannten EAM Rahmenwerk vorgeschlagene Struktur:

  • Name: Kurze, kompakte, einprägsame und eindeutige Wortgruppe, welche die Essenz des Prinzips reflektiert.
  • Erklärung (engl. Statement): Positiv, aktiv und allgemein in einem Aufforderungssatz formulierte Handlungsanleitung.
  • Begründung (engl. Rationale): Hintergrund und Daseinsberechtigung sowie Vorteile bei Berücksichtigung aus Unternehmens-, Bereichs- Projektsicht bzw. aus fachlicher, technischer, rechtlicher und wirtschaftlicher Perspektive. Der Abschnitt klärt die ‚Warum-Frage‘, daher „Weshalb existiert dieses Architekturprinzip?“. 
  • Auswirkungen (engl. Implications): Technische, prozessuale und organisatorische Konsequenzen in Form von Anforderungen an Business und IT. Dieser mit spezifischen Handlungsanweisungen versehene Teil beantwortet die ‚Und-Nun-Frage‘, daher „Was bedeutet das Architekturprinzip konkret für das Unternehmen, das Projekt bzw. meinen Bereich?“.

Bemerkenswert: Als Kern eines Architekturprinzips sind der Name und die Erklärung in der Regel unternehmensunabhängig. Organisationsspezifisch wird ein Prinzip durch die Begründung und Auswirkungen.

Auf Wunsch können Sie zusätzlich das Architekturprinzip klassifizieren (z.B. nach Architekturebene, Anwendungsbereich, Nutzergruppe, Standort, Unternehmensteil), explizite Verknüpfungen zu IT-Strategiefeldern oder Geschäftszielen herstellen, auf weiterführende Begründungsinformationen verweisen oder auf mitgeltende Architekturprinzipien referenzieren. Nützlich ebenfalls sind Meta-Informationen wie ein eindeutiger Bezeichner, die aktuelle Version, das Datum der letzten Aktualisierung sowie der Ansprechpartner für das Prinzip.

„Passen Sie die Beschreibung eines Architekturprinzips an Ihr Unternehmen an. Ergänzen Sie beispielsweise für jedes Prinzip eine Beschreibung, notwendige Voraussetzungen, einen Nutzungskontext oder Hinweise zum Einsatz.“
Dr. Christopher Schulz

Architekturprinzipien

Struktur und Elemente eines Architekturprinzips

Was sind Beispiele für Architekturprinzipien?

Wie sehen Architekturprinzipien konkret in der Praxis aus? Im World-Wide-Web finden Sie viele Beispiele, die als Startpunkt, Ideengeber und Inspirationsquelle für Ihre EA Principles dienen. Eine Zusammenstellung:

  • AKF Partners stellt 16 praxisbewährte EA Principles vor
  • IBM hat 21 umfassende Architekturprinzipien für den Finanzsektor zusammengestellt
  • Das Enterprise Architecture Professional Journal listet 8 Prinzipien zur Operationalisierung von Architekturarbeit
  • highways england nutzt für Design und Entwicklung von Informationssystemen 13 EA Principles
  • Plymouth University stellt 20 detailliert formulierte Architekturprinzipien bereit
  • simplicable wartet mit dem Kern von 101 Architekturprinzipien auf
  • TOGAF bietet zahlreiche ausführlich beschriebene Architekturprinzipien

Eine Architekturprinzipien-Vorlage nebst Beispiel sowie unser Starter-Set an Good-Practice-Prinzipien können Sie per Angabe Ihrer E-Mailadresse anfordern.

„Ein Tool-Prinzip des Streaming-Anbieters Netflix lautet ‚Freedom & Responsibility‘. So besitzen die Softwareingenieure bei der Auswahl ihrer Entwicklungs- & Betriebswerkzeuge maximale Freiheit. Wählt ein Tech-Team ein Tool aus, welches nicht vom Unternehmen zentral unterstützt wird, muss dieses auch die Verantwortung für die neue Software tragen. Vor dem Hintergrund von möglichen Betriebs- und Updateproblemen überlegt sich ein Ingenieur zweimal, ob er für das neue Tool votiert oder doch die vorhandene stabile Lösungen einsetzt.   

Dr. Christopher Schulz

Architekturprinzipien

Beispiel für ein Architekturprinzip „Langlebigkeit neuer IT-Systeme“

TOGAF 10 - Schulung Enterprise Architecture Management

Wie grenzen sich Architekturprinzipien zu anderen Unternehmensdirektiven ab?

Architekturprinzipien fungieren in einer Organisation in Breite und Tiefe als allgemeine Orientierungshilfe. Sie gehen jeden an, der die Elemente der Unternehmensarchitektur ändert bzw. betreibt. Prinzipien beschreiben gewünschtes Verhalten. Ihre Missachtung wird gebilligt, Ausnahmen sind gestattet.

  • Anforderungen (engl. Requirements) definieren gewünschte Fähigkeiten oder Eigenschaften einer Lösung. Beispielsweise können Sie grobe („Design for the World“) oder feine („Das System besitzt einen blauen Startbildschirm“) Anforderung an eine Benutzeroberfläche formulieren.
  • Regeln (engl. Policies) sind verbindliche und direkt anwendbare Vorgaben, deren Nichteinhaltung sanktioniert wird. Beispielsweise legen Sie Regeln für die Planung, das Test- und Freigabemanagement oder den Betrieb fest.
  • Standards (engl. Standards) beschreiben fachliche und technische Ausprägungen im Detail. Beispielsweise definieren Sie Standards für die System-Interoperabilität, das Rollen & Rechtemanagement in IT-Systemen oder die Qualitätsmerkmale von IT Services.

Beachten Sie die Konsistenz im Zusammenspiel. Daher: Die verabschiedeten Architekturprinzipien müssen zu den aufgestellten Standards und Regeln Ihres Unternehmens passen.

Grenzen Sie Architekturprinzipien zudem zu Leitlinien aus anderen Business- & IT-Disziplinen wie dem Human Resources, Innovation, Provider, IT Service, Demand oder Customer Success Management ab. Scope Ihrer Architekturprinzipien ist die Enterprise Architecture.

„Etablieren Sie als großes Unternehmen eine Hierarchie von Architekturprinzipien. An der Spitze stehen organisationsübergreifende Allgemeinprinzipien, es folgen abgeleitete Lokalprinzipien, relevant für spezifische Geschäftseinheiten.“
Dr. Christopher Schulz

Architekturprinzipien

10 Beispiele für Architekturprinzipien zur Entwicklung und Betrieb der Unternehmensarchitektur

Was ist bei Entwicklung & Etablierung von Architekturprinzipien zu beachten?

Seit Jahren helfen wir Unternehmensarchitekten, Business– & IT-Leiter und bei Konzeption und Einführung von Architekturprinzipien. Nachfolgend eine Sammlung unserer Gestaltungsempfehlungen.

Tipp #1: Management-Buy-in sicherstellen

Ohne hochrangige Anerkennung bleibt das Werkzeug des Architekturprinzips eines stumpfes Werkzeug. Stellen Sie sicher, dass die Unternehmensführung, die CxOs bzw. die Geschäftsleitung hinter den formulierten Prinzipien stehen. Erst mit der offiziellen Unterstützung durch die Unternehmensspitze und dem damit verbundenen Wachstum an Bedeutung lassen sich Prinzipien verpflichtend im Feld verankern.

Tipp #2: Formulierung feinschleifen

Halten Sie den Namen und die Beschreibung eines Architekturprinzips kurz und prägnant. Ein gutes Prinzip verzichtet auf schwülstige Adjektive. Es ist frei von Fremdworten und lässt sich auch im Alltagstrubel von den verschiedenen Akteuren einheitlich und unmissverständlich interpretieren.

Tipp #3: Handlungen leiten

Formulieren Sie Architekturprinzipien immer handlungsleitend. Daher: Sie definieren und verabschieden immer dann ein Prinzip, sobald für eine wiederkehrende Entwicklungs- oder Betriebsaufgabe Ihrer Unternehmensarchitektur mehre sinnvolle Entscheidungsalternativen zur Auswahl stehen. Anders ausgedrückt: Vermeiden Sie das Aufsetzen von Architekturprinzipien für Selbstverständlichkeiten.

Tipp #4: Anzahl begrenzen

Architekturprinzipien müssen als Sammlung berücksichtigt werden. Begrenzen Sie daher die Zahl der Prinzipien für einen Bereich auf eine einstellige Zahl. Auf diese Weise bleibt das Governance Werkzeug im operativen Alltag nutzbar. Zudem kommt es bei 5 bis 9 Prinzipien zu keiner inhaltlichen Überlappung, eine Situation, in der Architekturprinzipien gegeneinander abgewogen werden müssen.

Tipp #5: Prinzipien kommunizieren

Architekturprinzipien sind nur so gut, wie sie in der Breite Ihres Unternehmens bekannt sind und von diesem als nützlich verstanden und getragen werden. Veröffentlichen Sie die Leitlinien, zum Beispiel im Intranet, Flyern und Postern. Nutzen Sie einprägsame Visualisierungen wie die Clusterkarte. Betten Sie die Prinzipien in den Arbeitsunterlagen ein, beispielsweise dem Projekt-Review, der Architektur-Freigabe oder dem Softwareauswahl-Kriterienkatalog. Informieren Sie Ihre Kollegen zu Anlässen wie Projektleiter- & Architektentrainings, EAM Knowledge Days oder (IT-)Strategietagen.

Tipp #6: Relevanz prüfen

Architekturprinzipien sind langlebig. Das heißt nicht, dass sie für die Ewigkeit gelten. Märkte ändern sich, Geschäftsstrategien und IT-Ziele ebenso. Prüfen Sie im Jahresrhythmus die Sammlung aufgestellter Prinzipien einzeln und untereinander. Aktualisieren Sie zunächst die Begründung und Auswirkungen bevor Sie den Kern modifizieren.

Tipp #7: Prinzipien anwenden

Nutzen Sie die einmal aufgestellten Architekturprinzipien im Projekt- und Betriebsalltag. Ziehen Sie die Prinzipien bei Make-or-Buy-Entscheidungen heran. Begrenzen Sie mit ihnen die Schatten-IT. Beschleunigen Sie Architekturreviews, Schnittstellenbeschreibungen und Softwarestandardisierungen. Referenzieren Sie in Empfehlungen und Maßnahmen auf die angewendeten Prinzipien.

Tipp #8: Erfolg messen

Greifen die aufgestellten Architekturprinzipien in Ihrem Unternehmen? Architekturprinzipien bilden eine gute Grundlage für Kennzahlen. Messen Sie auf Basis geeigneter Metriken, in welchem Umfang Architekturentscheidungen in Ihrer Organisation im Sinne der Prinzipien bisher getroffen wurden. Wie oft kommt ein Prinzip zum Einsatz? Wie viel Zeit spart es bei Entscheidungen? Wie oft gibt es Diskussionen?

Fazit

Architekturprinzipien leiten Business-IT-Entscheidungen. Stehen zwei oder mehr sinnvolle Architekturalternativen zur Auswahl, geben sie Orientierung.

Starten Sie mit wenigen Kernprinzipien für solche Beschlüsse, die regelmäßig bei der Entwicklung und dem Betrieb Ihrer Unternehmensarchitektur anstehen. Lassen Sie das Set an Initialprinzipien durch die Top-Führungskräfte bestätigen. Kommunizieren Sie die Prinzipien, zeigen Sie den Nutzen auf. Entfaltet das Governance Instrument dann eine positive Wirkung, erweitern Sie die Prinzipien schrittweise.

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Dr. Christopher Schulz

Dr. Christopher Schulz

Business Analyst, Enterprise Architect & Projektmanager

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